III. Aussagemöglichkeit der Funddurchsicht
III.1. Bewertung des Kleinfundspektrums
III.1.1. Funde zur Siedlungs- und Baugeschichte
Hinweise auf die frühere Bebauung gibt ein Fragment verziegelter Hüttenlehm (#St.3-16; vgl. aber St.20-42 mit Bezug zum Brandbefund St.23) und Wandziegelplatten (#St.5-99 u. #5-120), die dem Baurest mit Hypocaust zuzuordnen sind (vgl. VI.2.4.).
An besonderen mittelrömischen Funden sind lediglich das Randbruchstück eines Firnsisware- Spruchbechers (#St.5-14; siehe Abb. 21) und eines ähnlichen Bechers mit Wellenband des 3. Jh. (#St.5-47), sowie ein blaues Rippenschalenfragment aus dünnwandigem Glas (#St.5-31) zu nennen, die allerdings allesamt als Streufunde in jüngeren Befunden zutage kamen.
An spätantiken Funden ist dagegen eine ganze Reihe leicht erkennbarer Formen aufzuführen
Vielfach kommen die spätantiken Funde als Streufunde in späteren Grabfüllungen o.ä. vor. An einigen Stellen sind sie jedoch auch in eine aussagekräftige Stratigraphie eingebunden (vgl. IV.2. u. IV.3.; eine Auswahl der Funde siehe auch Abb. 21).
Bestimmung Rädchen-TS (L. Bakker, Augsburg, Brief 1.3.1998; siehe auch Abb. 21):
"Die Stücke Nr. 209-211 dürften dem späten 4. Jahrhundert, Nr. 211 vielleicht auch noch den ersten beiden Jahrzehnten des 5. Jhs. angehören; nur 208 erscheint vorläufig nicht näher datierbar."
Bestimmung der Münzen (B. Päffgen, Kerpen, Brief 13.3.1998):
#St.20-36 (wegen nicht entfernter Korrosionsschichten war die Bestimmbarkeit begrenzt und der Abnutzungsgrad konnte nicht bestimmt werden):
Auf Knochen- und Geweihverarbeitung verweisen die abgesägte Geweihsprosse #St.21-31 (röm.), ein geschnitzter Knochen #St.20-33 (Kontext 4. Jh.) und der Produktionsrest eines Knochens mit runden Ausbohrungen #St.5-37 (älterer? Streufund aus Grab St.58 (St.5-6/Schicht 8).
Als einziger gut klassifizierbarer mittelalterlicher Fund kann ein früher Pingsdorfer Wellenfuß des 10.-12. Jh. benannt werden (#St.21-7 -> verlagert in Grab St.45).
Von den Gräbern können fünf aufgrund von Beifunden näher angesprochen werden. Grab St.37 (St.20-5/Schicht 3) enthielt eine Scherbe blaugrauen Steinzeugs Ende 17./Anfang 18. Jh. (#St.20-12), das südwestlich direkt daran anschließende, die Grenze respektierende Grab St.36 (St.20-5/Schicht 2) ein RB niederrheinische Bauernkeramik des 18. Jh. als Streufunde aus der Grabverfüllung (#St.20-11). Grab St.49 (St.21-22/Schicht 8) enthielt im Brustbereich der Bestattung einen Kreuzanhänger mit Doppelbalken aus Bronze (#St.21-26), das aufgrund seiner trotz Korrosion erkennbaren Gestaltung (Abb. 11,1) mit verbreiterten Enden wohl dem 17. Jh. zuzuordnen sein dürfte (vgl. Umrißform z.B. "500 Jahre Rosenkranz. 1475 Köln 1975." Ausstellungskat. Erzbischöfl. Diözesan-Museum Köln 1975, Nr. B 157 Abb. 37).
Als herausragender Befund fielen die Bestattungen St.58 und St.59 (St.5-6/Schicht 8 und St.5-6/Schicht 11) durch ihre gute Erhaltung und die Beifunde auf. Die genau parallele Ausrichtung der sich nicht überschneidenden Befunde, sowie ihre Lage in gleicher Tiefe lassen eine gemeinsame Grabstelle eines Ehepaares vermuten. Beiden hielten in ihrer rechten Hand einen "heiligen Gegenstand" (Abb. 11,2 + 11,3).
Im dem nordwestlichen vermutlichen Männergrab St.59 fand sich in der rechten Hand der vor der Brust verschränkten Händen ein beschnitztes Knochenkreuz (#St.5-11: L.: 8,3 cm; B.: 3,6 cm; D.: 0,3-0,4 cm) mit Bronzekorpus (2,5 x 2,5 cm), der mit einem einfachen Mitteldorn im Rücken auf dem Kreuz befestigt war. Auf den Balkenenden außerhalb der Figur finden sich eingeritzt INRI und das Chi-Rho-zeichen oberhalb der Figur, auf dem Balken neben der rechten Hand Strahlen oder ggf. Geißeln (?) und neben der linken Hand Hammer und Zange der Kreuzigung. Unterhalb des Korpus sind eine Leiter und eine Lanze und eventuell der Essigschwamm auf einem Stab auszumachen (#5-11, siehe Abb.11,2 und Abb.12).
Das südöstlich anschließende Frauengrab St.58 war als Befund deutlich durch Reste und Verfärbungen des Holzsarges abgegrenzt. Ihr Kopf war auf ein Kissen mit Roßhaarfüllung gebettet (#St.5-27). Bei den auf die Oberschenkel gelegten Händen fand sich in der rechten ein Medaillon (#St.5-35: H.: 2,5 cm; B.: 2,1 cm; D.: 0,4 cm) mit doppelter an der Außenkante facettierter Glasscheibe in einer Metallfassung unklarer Legierung (Abb. 11,3). Als Randverzierung sind 6 Glasperlen mit dazwischenliegenden Drahtösen als Protuberanzen angelötet. Die Füllung zwischen den Gläsern ist aufgrund der Korrosion nicht zu erkennen. Es könnte sich aber um Reste von Papier, Gewebe oder Haaren handeln, in denen man vielleicht eine Berührungsreliquie oder ähnliches vermuteten darf (siehe auch Abb.11).
Das Schmuckstück weist aufgrund seiner Form mit den eingeschwungenen Seiten ebenfalls ins 18. Jh.; so zeigt z.B. das 1762 datierende Porträt von Karl Graf v. Kobenzl, dem österreichischen Gesandten in Kurköln, am Ordensband des Goldenen Vlieses ein Schmuckelement fast gleicher Umrißform ("Kurfürst Clemens August. Landesherr und Mäzen des 18. Jahrhunderts ." Ausstellkat. Schloß Augustusburg, Brühl 1961, S. 182, Nr. 140, Taf. 55). Die Gräber gehören damit mit zu den spätesten Bestattungen in der Kirche, vor dem am 4.5.1784 verfügten Ende dieser Praxis, nach dem die Auslagerung des Friedhofes aus der Stadt und Errichtung eines Totenkellers in der Kirche erfolgten.
Ebenfalls wurden in dem Grab zwei Bronzeblechplättchen gefunden (#St.5-9 u. #St.5-36), wie sie ähnlich auch in den gestörten Bestattungen St.61/63 (St.5-42/Schichten 3 u. 6) stammen (#St.5-8, #St.5-65/66 u. #St.5-10). Es handelt sich dabei nicht um Münzen oder Münzimitate, sondern wohl eher um eine Art Schauknöpfe für das Totengewand. Die rund 1,3 cm (bis maximal 1,6 cm #St.5-66) großen, dünnen Blechscheiben sind aus einer Kupferlegierung hergestellt, die im unkorrodierten Zustand als silbern erscheint (Zinn?). Sie sind mehr oder weniger profiliert über eine Patrize geprägt, wobei ein vom Rand ansteigendes Profil mit einem mittig wieder abgesenkten Mittelrund entsteht, das z.T. eine einfache Strich o.ä. Verzierung aufweist.
Diese geprägten Blechscheibchen weisen keine Befestigungslöcher oder Ösen auf und waren wohl nur sehr locker mit dem Gewebe des Totenhemdes o.ä. verbunden. Ebenfalls als Hinweis auf die "schöne Leiche" (wie sie früher genannt wurde), sind die Funde von Stecknadeln aus der Grabfüllung des mutmaßlichen Ehepaares (Mann #St.5-22, Frau #St.5-16 u. #St.5-37) zu werten, die z.B. der Drapierung des Totenhemdes gedient haben könnten.
Im Rahmen der nicht archäologisch begleiteten Bauarbeiten wurden aus den oberen Schuttschichten unter dem Kirchenboden eine Reihe von Architekturbruchstücken sichergestellt, die in der Kirche verblieben (Dias St.1-28, Nr. 109-120). Während das Kapitellfragment Nr. 115 wohl dem Ausbauzustand nach 1877 zuzuordnen ist, scheinen die zwei Friessteine und ein weiteres mit angearbeitetem Kapitell Nr. 111 (siehe Abb. 9) mit Blattwerkdekor qualitätvolle Zeugnisse der romanischen Bauphase des Langhauses zu sein (Phase III). Ein Vergleich mit dem Weinlaubfries um das Marienbild an der Westfront des Turmes und der zerstörten Verzierung der Deckplatten der romanischen Würfelkapitelle läßt trotz Unterschieden hier eine zeitliche Nähe erkennen (Renard 1902, S. 106; Zanger 1989 72f. Abb.).
Allgemein dem Kirchenbau unklarer Zeitstellung zuzuordnen sind Scherben von Fensterglas #St.3-24, sowie #St.5-24 und #St.5-54, welche ein deutliches Stück einer Bleiverglasung enthalten.